Praxisbrief März 2014

26. Februar 2014 von Ihrer Gemeinschaftspraxis

Liebe Patientinnen, liebe Patienten,

"Erst das Wort, dann die Pflanze, zuletzt das Messer" schrieb dereinst Hippokrates. Der griechische Arzt beschrieb damit die sinnvolle Reihenfolge bei der Behandlung von Krankheiten. Gilt das Zitat auch heute noch? Auf jeden Fall müsste in der Aufzählung eine weitere, moderne Behandlung ergänzt werden: Die mit "Chemie". Denn auch wenn die Naturheilmittel immer noch eine Rolle in der Therapie spielen, die künstlichen Medikamente haben ihnen schon längst den Rang abgelaufen. Aber halt; wir alle wissen, dass Masse nicht gleich Klasse ist. Und ein Blick hinter die Kulissen zeigt, dass nicht alles Gold ist was glänzt.
Stellen wir uns dazu einmal einen Mann um die 60 Jahre vor. Er war zeitlebens nie schwer krank. Eines Tages wird bei ihm ein leichter "Alterszucker" festgestellt. Da es mit dem Gewichtabnehmen nicht so richtig klappen will - er hat auch keine große Lust dazu -, empfiehlt ihm der Doktor, "Zuckertabletten" einzunehmen. Das ist bequemer. und weil die Pillen gut vertragen werden und die Zuckerwerte sich auch etwas bessern, sind alle zufrieden. So weit so gut. Wo ist das Problem?
Für die Antwort auf diese Frage, müssen wir die Statistik bemühen. Statistik ist die Wissenschaft, die sich u. a. mit dem Thema "Vorhersage-Wahrscheinlichkeiten" beschäftigt. So etwas kennen Sie von den Wettervorhersagen: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich´s Wetter oder es bleibt wie es ist. Mit dieser Vorhersage liegt man immer richtig. Aber schon die Aussage, dass morgen Nachmittag die Sonne scheinen wird, birgt das Risiko, dass genau das nicht passieren wird. Vorhersagen sind eben nie hundertprozentig genau, sondern immer auch mit einem mehr oder weniger großen Anteil an Unsicherheit behaftet.
Und was bedeutet das für unseren Herrn mit dem "Alterszucker"?
Guten Gewissens können wir ihm nicht garantieren, dass er von der Einnahme seiner Pillen auch einen Nutzen hat. Wir können lediglich ganz allgemein behaupten, dass von hundert Personen, die regelmäßig diese Tabletten schlucken, vielleicht fünf, vielleicht auch zehn Personen profitieren. Über neunzig Menschen würden es jahrelang unnötigerweise einnehmen. Jetzt sind Sie überrascht oder? Aber das Problem setzt sich noch fort. Denn wir können auch nicht vorhersagen, wer zu den zehn und wer zu den neunzig Personen gehören wird. Mit dieser Unsicherheit in der Vorhersage müssen wir leben, ob wir wollen oder nicht.
Und was heißt das jetzt ganz praktisch für uns Ärzte und Patienten? Sollen wir jetzt in der Sprechstunde würfeln? Nein, so weit brauchen wir nicht zu gehen. Aber bei allen Entscheidungen über medizinische Maßnahmen sollten wir berücksichtigen, wie hoch die Erfolgsaussichten eingeschätzt werden. Nicht jede Pille wirkt bei jedem. Im Gegenteil. Meist wird der mögliche Nutzen von Tabletten gegen chronische Krankheiten wie Zucker, Bluthochdruck, Rheuma usw. stark überschätzt. Denn normalerweise tritt eine Wirkung nur bei einer Minderheit der Patienten ein.
Vermutlich fallen diese bescheidenen Effekte sogar noch geringer aus. In letzter Zeit wird nämlich mehr und mehr bekannt, dass viele, teils auch große Studien nie veröffentlicht wurden. Warum wohl nicht? Sicher lag es nicht daran, dass in diesen Studien die getesteten Medikamente so gut abgeschnitten hätten. Man kann eher argwöhnen, dass unliebsame Ergebnisse unter den Tisch gekehrt werden sollen. Wissenschaftler aus aller Welt fordern nun, dass jede Studie - unabhängig von ihrem Ergebnis - der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden muss. Schließlich geht es um das Wohl und Wehe von Menschen.
Doch zurück zu unserem Beispiel. In diesem Prozess des Abwägens - Einnehmen oder Nicht-Einnehmen, das ist hier die Frage! - stehen Ihnen Ihre Hausärzte gern zur Seite. Wir informieren Sie über die Vor- und Nachteile. Manchmal können wir Ihnen auch Alternativen zur Tabletteneinnahme nennen. Doch die letzte Entscheidung treffen Sie. Denn es hängt von Ihrer Einstellung ab, ob Sie lieber einen Regenschirm tragen oder sich gegebenenfalls unterstellen wollen...
Und da wir gerade bei Medikamenten sind: Durch aktuelle Untersuchungen haben wir erfahren, dass die Einnahme von fiebersenkenden Tabletten bei Erkältungen den Krankheitsverlauf sogar verschlechtern. Es gilt also auch hier der Hinweis: Nicht zu früh und nicht zu viel Pillen wegen einer Erkältung mit Fieber. Sonst wird das Immunsystem gestört und die Genesung verzögert sich. Besser ist es, nach dem Motto zu handeln: Abwarten und Tee trinken!

Und auch beim sogenannten "Tennis-Ellenbogen" setzt sich die Erkenntnis durch: Finger weg von Medikamenten; in diesem Fall von den Kortison-Spritzen. Weder Spritzen noch Physiotherapie wirken besser, als den Arm zu entlasten und abzuwarten.

Nun zu einem anderen Thema: Ab April wird sich der ärztliche Bereitschaftsdienst während der sprechstundenfreien Zeiten ändern. Über die einheitliche Rufnummer 116 117 erreichen Sie die Telefon-Zentrale in Kassel. Von dort erhalten Sie erste Ratschläge und Informationen. Falls nötig wird von dort auch eine ärztliche Kontaktaufnahme organisiert. An den Wochenenden und Feiertagen ist im Stadtkrankenhaus Korbach eine Bereitschaftsdienstzentrale jeweils vor- und nachmittags geöffnet. Da sich u. a. der Dienstbezirk vergrößern wird, kann es leider zu längeren Wartezeiten und weiteren Einschränkungen kommen. Über Änderungen und Neuigkeiten werden wir Sie zeitnah informieren. Aktivieren Sie unsere Praxis-website als RSS-feed auf Ihrem Computer/smartphone und Sie bleiben auf dem Laufenden!

Zum Schluss wenden wir uns wieder den heiteren Seiten des Lebens zu:
"Ihren späten Besuch rechne ich Ihnen hoch an, Herr Doktor!" - "Ich Ihnen auch!"

Machen Sie´s gut!

Ihr Praxisteam

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